November 2013 / NISSAN MAGAZIN / Text

LEI(H)DER GEIL

Daniel Bechtel und Benny Schäfer erfüllen Träume. Zumindest solche, die sich darum drehen, einmal im Leben (oder auch öfters) unglaublich beschleunigt zu werden. Denn die zwei Sinsheimer verleihen einen Nissan GT-R. Ein Besuch in der Traumfabrik

Manches ist für Daniel Bechtel schwer zu begreifen. Da fährt dieser Typ aus Belgien bis in den Kraichgau, nur um eine Stunde lang mit Bechtels Auto herumzufahren. Zweimal siebenhundert Kilometer. Oder dieser Zwölfjährige, dessen innigster Wunsch es war, einmal Beschleunigung in diesem Auto zu erleben. Seine Mama hatte keine Ahnung, wie der Bub darauf kam. Aber Mutterliebe fragt nicht lange und so installierte Bechtel einen Kindersitz – und es konnte losgehen. Schließlich ist Daniel Bechtels Auto auch kein gewöhnliches Mobil. Es ist ein Nissan GT-R. Dennoch: Geplant war das alles so nicht. Eigentlich war und ist Bechtel ein ganz normaler IT-Unternehmer, der im überregional bekannten Örtchen Hoffenheim in der Nähe von Sinsheim lebt und arbeitet. Seine Leidenschaft sind Autos im Allgemeinen und Nissan im Besonderen. „Der Skyline R34 war schon immer das Auto, das ich fahren wollte“, sagt er. Als es nun vor rund sechs Jahren Gerüchte um den Nachfolger gab, als Bechtel dann erste Bilder entdeckte, die runden Rückleuchten und das konsequente Design des Nissan GT-R R35 sah, da bestellte er sofort. Er gehörte zu den Ersten in Deutschland überhaupt.

 

Allerdings arbeitete er so viel, dass er kaum zum Fahren kam. Nach einem halben Jahr hatte er etwa 2.000 Kilometer geschafft. Da kam ihm die Idee, seinen Traum auch anderen zugänglich zu machen. Er bastelte eine Website und bot seinen GT-R nicht nur für Tage und Wochen, sondern auch stundenweise zur Miete an. 2010 war das. Einmalig im deutschsprachigen Raum und, soweit Bechtel weiß, auch darüber hinaus. Es lief bald so gut, dass er es allein nicht mehr bewältigen konnte. Und so stieg sein Kumpel Benny Schäfer mit ein. Heute denken beide an Expansion, wollen einen Mitarbeiter einstellen, der sich ausschließlich um die Fahrten mit dem GT-R kümmert. Für beide ist es ein Hobby und ein netter Nebenverdienst. Üppige Gewinne sind nicht ihr Ziel. So beginnt das Erlebnis mit 89 Euro für eine halbstündige Mitfahrt. Teurer ist es, wenn man selbst fahren will, mit Bechtel oder Schäfer als Instrukteur auf dem Beifahrersitz, am teuersten ist eine Alleinfahrt. Wen wundert es.

 

Es gibt ihn nicht, den prototypischen GT-R Fan, die Kundenmischung ist so bunt wie skurril. Gemeinsam haben sie alle etwas, und das haben Bechtel und Schäfer nun schon zigmal beobachtet: Wenn sie aussteigen, haben sich ihre Gesichtszüge verändert. „Wir nennen es das GT-R Grinsen“, sagt Benny Schäfer.

 

Wir besuchten die Traumwerkstatt an einem gewöhnlichen Samstag und trafen drei typisch untypische GT-R Enthusiasten.

 

Die große Liebe

 

Als Tina ihm zum ersten Mal begegnete, war sie auf dem Heimweg von der Schule. Sie stand an der Ampel, irgendwo in Baden-Baden, an irgendeinem Wochentag. Anfangs hörte sie ihn nur, aber schon das beschleunigte ihren Herzschlag. Dann sah sie ihn – in all seiner Größe und Kraft und seinem strahlenden Äußeren. „Da ist mir die Kinnlade runtergefallen“, sagt sie. Und sie wusste: Den muss ich haben. Innerliche Salti habe sie geschlagen. Nicht die einzigen Symptome, die sie bis heute unverändert zeigt: „Überall Kribbeln am ganzen Körper und entweder hört mein Herz auf zu schlagen oder es rast total.“ Heute weiß sie längst, wie es ist mit ihm, und zu Hause in ihrer Wohnung, da steht auf dem Nachttisch sein Bild. „Dann gehört der letzte Gedanke des Tages immer ihm und ich träume schön.“ Von ihrem Nissan GT-R.
Nur einen Haken hat die märchenhafte Liebesgeschichte von Tina Luft, der 22 Jahre alten Produktionshelferin aus der Nähe von Karlsruhe: Sie „besitzt“ ihren Traumtyp immer noch nicht. Sie muss ihn mit anderen teilen. Den Wagen, in dessen Sound sie sich so unsterblich verliebte, den kann sie sich nicht leisten – aber dank Daniel Bechtel und Benny Schäfer nun immerhin ab und zu erleben. Alle zwei, drei Monate fährt sie in ihrem Nissan MICRA hinüber nach Hoffenheim und gönnt sich eine Stunde mit ihrem Traumtyp.
Dank ihrer Mutter. Denn die hatte sich eingemischt, sie konnte das Schmachten der Tochter kaum mehr mit ansehen. Mama recherchierte und fand die Website von Bechtel und Schäfer. Mama bestellte einen Gutschein, legte ihn unter den Weihnachtsbaum – und machte die Tochter glücklich. „Als ich den Gutschein in der Hand hatte, das war das erste Mal, dass ich vor Freude geweint habe“, sagt Tina Luft.

 

Der schönste Tag

 

Der Tag, an dem Costantino Solimando zum ersten Mal in einem Nissan GT-R saß, war der schönste Tag seines Lebens. Es war der Tag seiner Hochzeit. Mit Jessica. Und Jessica war natürlich auch der Hauptgrund, warum dies der schönste Tag seines Lebens war. Wenn auch nicht der einzige.
Solimando, genannt Costa, ist Nissan Fan von der Haarspitze bis runter zu den Füßen. Er fährt einen 200 SX S13 aus dem Jahr 1995. „Der gefällt mir einfach, er hat schöne Linien.“ Schon als Pubertierender liebte er es, den Skyline R34 auf der Playstation zu fahren, und als er vom GT-R R35 erfuhr, da wusste er: „Oh, da kommt jetzt was.“ Etwas Großes, etwas Besonderes, etwas, das er haben wollte. Unbedingt.
An einem Abend saß er mit seinem Kumpel im Kino, als plötzlich eine eigenartige Werbung über die Leinwand röhrte. Erst ein paar Details, Lenkrad, Motor, Rückleuchten, dann die drei magischen Buchstaben. Der Rest des Spots waren nur Fahrbilder und dazu Motorensound in Dolby Surround. Am Ende die Einblendung: „Rent-a-gtr.com – Sportwagenvermietung. Flyer im Foyer.“ An den Hauptfilm erinnert sich Costa längst nicht mehr, den Flyer nahm er aber mit. Und mit dem Tag der Hochzeit war auch der andere große Tag gekommen: Costa mietete sich den GT-R für diesen sonnigen Tag im Juni.
Nachdem er den Wagen in Hoffenheim abgeholt hatte, fuhr er erstmal ein paar Runden über die Dörfer, dann holte er Blumenschmuck beim Händler ab, um den GT-R zu verzieren. Das opulente Brautkleid samt Jessica passten auch gut hinein. Sie musste jedoch damit leben, nicht der einzige Star des Tages zu sein. „Die Leute vor der Kirche waren total baff von dem Sound und sie waren begeistert von diesem Auto, das sie nie zuvor gesehen hatten.“
„Ich wäre gern noch mehr gefahren“, sagt Costa und schiebt dann jedoch nach: „Aber meine Anwesenheit bei der Feier war dann doch erforderlich.“

 

Das erste Mal

 

Hartmut Brox hat in den 74 Jahren seines Lebens so einiges erlebt. In den 1960er Jahren wanderte er nach Kanada aus, er lebte sechs Jahre in Saudi-Arabien, wo der Diplomingenieur den Einheimischen die Kraftfahrzeugtechnik nahebrachte. Heute lebt er in aller Ruhe im Kraichgau – wenn er nicht gerade beim Touristen-Skirennen mit knapp über 100 km/h den Pistenrekord bricht. So ist er, der Hartmut.
Auch seine Autos waren stets etwas Besonderes. „Ich bin schon alles gefahren, was vier Räder hat, und bin selten langsam unterwegs“, sagt er. In Kanada leistete er sich einen 65er Mustang, später fuhr er einen Daimler V8, der so exklusiv war, dass er heute im Sinsheimer Technikmuseum steht. Neulich erst lieh er sich von einem Bekannten dessen Sportwagen aus süddeutscher Produktion. Der hatte 480 PS, was ihm schon gefiel, ein nettes Fahrzeug war das.
Aber der Nissan GT-R beeindruckte ihn deutlich mehr. Er fuhr ihn an diesem Tag zum ersten Mal. „Der Wahnsinn, das Auto, absolut irre“, sagt er mit hörbuchtauglicher Stimme. Und: „Es ist nicht der Speed, es ist die Beschleunigung. Da bleibt einem fast das Blut im Gehirn stecken.“ Als Hartmut das Gelände verlässt, sich ein letztes Mal nach dem Nissan umdreht, ist es da, wie bei allen – das GT-R Grinsen.