Februar 2009 / PLAYBOY / Text

Ein Mann, ein Trick

Mit ihm ist es wie bei McDonald’s: Angeblich geht keiner hin, aber der Laden ist immer voll. Oder wie beim Gruselfilm: Schauderhaft, aber man kann trotzdem nicht wegschauen. Seit Jahrzehnten verzaubert Uri Geller sein Publikum mit dem immer gleichen Kunststück

„Wie schön er ist“, sagt er andächtig, „fast wie ein Kunstwerk. Es gibt ihn seit Tausenden von Jahren, er füttert deinen Körper.“

 

Aber am Ende kann er es dann doch nicht lassen: Er nimmt den Löffel, reibt ihn sorgfältig mit Daumen und Zeigefinger, bis sich das Besteckteil biegt, erst leicht, dann immer stärker. Ein mitgebrachter Löffel, kein vorbereiteter. Uri Geller hat mal wieder seinen Trick gemacht. Den einzigen Trick, mit dem er seit 35 Jahren im Gespräch ist. Das ausdauerndste One-Hit-Wonder der Showbranche. Auch weil es 35 Jahre lang keiner geschafft hat, diesen einen Trick zu erklären. Trotzdem: ein reichlich dünnes Portfolio, bedenkt man, welch magische Materialschlachten die Herren Copperfield und Kollegen führen. Aber mit denen habe er ohnehin nichts zu schaffen. Er sei „Mystifier“, sagt er.

 

Playboy: Herr Geller, was ist ein Mystifier?
Uri Geller: Ich verzaubere Leute, sende Energie. Und wenn das mal nicht klappt, dann bin ich wenigstens ein guter Motivator.
Playboy: Davon gibt es viele.
Geller: Aber keinen, der Löffel verbiegen kann. Die anderen sind nicht Uri Geller. Ich bin einzigartig in der Welt. An mir ist etwas Mystisches.

 

Geller ist Israeli, aber er spricht mit einem Akzent, der französisch klingt. Und mit Worten, die den Gesprächspartner in einen Kokon voller Mystik und Geheimnis spinnen. Das kann er gut: aus nichts ein Rätsel formen. Um einzelne Wörter eine Aura bauen. Mit Sprüchen vom Wühltisch der Motivationslehre. Seit Kurzem sucht er mit ProSieben wieder seinen Nachfolger. Wobei er nicht viel mehr zu tun hat, als dekorativ auf dem Sofa zu sitzen.

 

Playboy: Haben Sie die Acts im Vorfeld schon gesehen?
Geller: Nein, aber ich kenne Fotos und Namen der Darsteller.
Playboy: Viele Leute halten Sie für einen Spinner. Wie leben Sie mit der Kritik?
Geller: Sie kräftigt mich. Als ich 20 war, dachte ich, die Kritik bringt mich um, das ist das Ende von Uri Geller. Aber ich bin immer noch da. Größer als je zuvor.
Playboy: Die Kritik macht Ihnen gar nichts aus?
Geller: Es gibt keine schlechte PR, mich interessiert bei Artikeln nur, wie groß, wie breit und wie lang sie sind. Und dass mein Name richtig geschrieben ist. Die Leute, die mich zerstören wollen, wissen nicht, wie PR funktioniert.

 

Uri Gellers Haus liegt versteckt in einem sehr britischen Reisekatalogdorf namens Sonning-on-Thames, rund 40 Kilometer westlich von London. Schilder warnen vor Wachhunden und Überwachungskameras, verbunden mit der Drohung, dass jedermann, der sich ungebührlich nähere, verklagt werde. Und Geller klagt gern.

 

Der Weg zum Haus, das der Vorbesitzer im Stil des Weißen Hauses zu Washington errichten ließ, führt vorbei an der Skulptur einer verbogenen mannshohen Gabel – dem Werkzeug, das Geller reich und berühmt machte. Ehre, was dich füttert! Drinnen läuft Kaufhaus-Pianomusik in allen Räumen. Ein Panoptikum von stilfreien Dingen. Nichts passt zusammen. Sein Schwager und Assistent Shipi Shtrang begrüßt mich und platziert mich im Kaminzimmer auf ein Velourssofa, hellblau mit Brokat, das sich über zwei Wände erstreckt. Davor ein gigantischer Fernseher, so riesig, als habe man das Haus drum herumgebaut.

 

Überall Nippes: Figürchen aus Jade, Bergkristalle, in der Ecke ein Haufen Aliens aus Überraschungseiern oder dem „Star Wars“-Merchandising. Ein roter Bürodrehstuhl komplettiert das Chaos. Hier wird Uri Platz nehmen, der Reporter auf dem Sofa. Wie in allen Interviews, er hat das durchchoreografiert. Er wird sagen: „Genau dort hat Michael Jackson gesessen.“ Dann kommt er herein, sehr hager, aber für seine 62 Jahre unheimlich gut aussehend. Die Haare akkurat, womöglich gefärbt. Die randlose Brille verschwindet fast in seinem Gesicht. Das T-Shirt verwaschen, doch modisch, nur die Jeans steht ihm nicht richtig. Als er 1974 erstmals im deutschen Fernsehen Besteck verbog, ging ein Aufruhr durch die Republik. Dem „Spiegel“ war’s die heilige Titelseite und 14 Seiten wert. Viele haben seither versucht, seinen Trick zu entlarven: Mit Chemikalien habe er hantiert, mit roher Gewalt, mit vorbereiteten Löffeln. Schlüssig war das alles nicht. Wochen später war er aus der deutschen Öffentlichkeit dann entschwunden, bis er 2004 bei RTL mit der „Uri Geller Show“ plötzlich wieder erschien.

 

Wo war Geller all die Jahre? Hatte er sich selbst weggezaubert? „Ich musste mich um mein Vermögen kümmern“, sagt er. In Mexiko suchte er nach Öl, in Brasilien nach Gold, eine australische Minengesellschaft zahlte ihm angeblich 350.000 Dollar für das Aufspüren von Diamanten. Gefunden hat er nichts, kassiert hat er gern: 50 Millionen Dollar soll Geller schwer sein. Auch weil in Brasilien, Israel und England weiterhin seine TV-Shows liefen, er esoterischen Nippes via QVC verschacherte und weil viele Promis seine Nähe suchten. Von John Lennon etwa hat er das Ei eines Außerirdischen geschenkt bekommen (sind also keine Säugetiere) – Lennon habe es bei sich zu Hause gefunden.

 

Playboy: Sie glauben an Aliens?
Geller: Ich glaube, dass wir nicht allein sind, auch wenn ich noch nie Aliens gesehen habe. Aber ich habe schon Ufos gesehen!
Playboy: Aber was soll das bringen, denen Botschaften zu senden? Die wären doch bestimmt Lichtjahre unterwegs . . .
Geller: . . . wer sagt denn, dass sie nicht längst mit ihren Ufos hinter dem Mond parken?
Playboy: Und warum kommen sie dann nicht zu uns?
Geller: Ich wünschte, ich wüsste es. Vielleicht sind wir nicht bereit, und sie beobachten uns, wie wir mit der Wirtschaftskrise oder der Erderwärmung umgehen.

 

Uri Geller sagt, er habe für die CIA gearbeitet und russischen Diplomaten auf einem Flug die Disketten gelöscht. Er soll Michail Gorbatschow zu Glasnost und Perestroika bewegt haben. Er sagt dazu: „Ich streite es nicht ab, und ich bestätige es nicht.“ Er öffnet seinen Sekretär, er ist voll mit Silberlöffeln, es müssen an die hundert sein, sie liegen kreuz und quer. Dieser sei aus dem „Savoy“-Hotel, sagt er, und während ich noch die Augen auf dem Löffelberg im Sekretär habe, reibt er schon. Einen kurzen Moment lang ist man abgelenkt. Was dann passiert, kennt man: Geller reibt, der Löffel biegt sich, keine Gewalt. Vielleicht ist er präpariert, aber ich habe noch eigene, unverdächtige Löffel dabei. Geller mag aber jetzt nicht mehr. Der aus dem „Savoy“ sei doch viel schöner. Und überhaupt: „Ich möchte nicht herausgefordert werden“, sagt er.

 

Angefangen hat alles im Alter von fünf Jahren: Ein Lichtblitz im Garten, Klein-Uri fiel um, und beim Abendessen bogen sich die Suppenlöffel. Als junger Mann kämpfte er im Sechstagekrieg, arbeitete als Model. Und wanderte schließlich mit seiner Suppenbesteckverbiege-Begabung über die Bühnen und durch die Studios in Israel, den USA und schließlich in Deutschland. Wir gehen in die Garage. Hier steht sein Cadillac. Und jetzt plötzlich möchte er doch meine Löffel haben. Ich soll ein Foto machen, sagt er, und als ich noch an der Kamera nestele, hat er schon anfangen. Wieder habe ich den Moment verpasst, als es losging. Dann wieder: sanftes Reiben, eindeutiges Biegen. Ich stecke den Löffel ein. Später wird Uri Geller sagen: „Schau auf den Löffel, er ist jetzt im 90-Grad-Winkel gebogen.“ Ich nehme ihn aus meiner Innentasche – tatsächlich. Uri Geller führt mich durchs Haus, zeigt mir abenteuerliche Teller, die er getöpfert hat, seine Teddybärensammlung, den Salon mit einer Sitzgruppe aus Glasmöbeln, die aussehen wie aus Eis geschnitten. Dann beendet er zügig das Interview („So, jetzt weißt du alles“) und gibt mir reichlich warme und liebende Grüße an Kollegen und Familie mit. Zum Abschied umarmt er mich.

 

Man muss ihn irgendwie mögen. Wenn er nur nicht immer so einen Quatsch erzählen würde. Vielleicht lassen die Außerirdischen ihn noch ein paar Jahre auf der Erde. Wäre ja irgendwie schade um ihn.