Juli 2007 / PLAYBOY / Interview

„Auch Frauen sind Idioten!“

In seinen Büchern beschreibt Tommy Jaud die sexuellen und existenziellen Nöte seiner Geschlechtsgenossen. Und erzielt damit Millionenauflagen. Hier spricht der Erfolgsautor über die Geheimnisse des Humors, beleidigte Kritiker – und was Männer absolut nicht ertragen können

Herr Jaud, Sie sind seit zwei Jahren nahezu ununterbrochen in den Bestsellerlisten vertreten, länger als viele der Großen wie Günter Grass oder Michael Crichton. Sind Sie ein bisschen stolz?

 

Wer seinen Arsch aus dem Fenster hält, muss damit rechnen, dass er geküsst wird. Im Ernst: Mir geht keiner ab, wenn ich mal eine Woche vor einem Crichton stehe. Bestsellerlisten sind keine Literatenranglisten.

 

Klingt nach fränkischer Bescheidenheit.

 

Vielleicht. Franken sind vor allem chronisch pessimistisch. Jetzt, wo mein neues Buch kommt, denkt der Franke in mir natürlich: „Die ersden zwei sind so gud gelaufen, da kefft des dritte garantiert kee Sau.“ Und was die Bescheidenheit betrifft: Ich fühle mich einfach wohler damit, denn ich bin schüchtern. Schon bei Referaten in der Uni wurde ich rot. Im Kleinen ist allerdings Popularität ganz nett. Ich war kürzlich im Urlaub in Ägypten, und in meinem Club lasen sechs oder sieben Leute „Vollidiot“ oder „Resturlaub“ …

 

… die klassische Urlaubslektüre.

 

Ich konnte dann nicht anders und habe jemanden beobachtet, der „Vollidiot“ las. Der Typ hat während einer Stunde kein einziges Mal gelacht. Meine Irritation wurde zunehmend größer. Ich bin dann unauffällig an ihm vorbeigelaufen, um zu sehen, an welcher Stelle er gerade ist. Es war eine sehr lustige Stelle. Am nächsten Tag hat er ein anderes Buch mit an den Strand genommen.

 

Der Untertitel Ihres Millionenerfolgs lautet: „Nicht alle Männer sind Idioten. Einige sind Vollidioten“. Spricht nicht gerade für unser Geschlecht.

 

Spricht aber auch nicht fürs andere. Denn Gleiches gilt natürlich für die Frauen. Ich bin mir sicher, dass sich Frauen und Männer in puncto Idiotie nichts nehmen. In meinem neuen Buch vertritt mein Held übrigens eine neue These: Ein Drittel der Menschheit ist bekloppt. Manchmal ist es auch die Hälfte, das hängt vom Wetter ab.

 

Wie viel Biografisches steckt in „Vollidiot“?

 

Ziemlich viel. Gott sei Dank nicht alles. Ich habe weder im T-Punkt gearbeitet, noch bin ich mit meinem besten Kumpel zum All-You-Can-Fuck-Abend ins „Pascha“ gegangen. Es sind viele Sachen drin, die ich „an-erlebt“ habe und dann weitergesponnen. Ich habe mich zum Beispiel tatsächlich in einem Schwulen-Fitnessclub angemeldet. Der sah chic aus, und da waren auch ein paar scharfe  Frauen. Das waren dann aber wohl Lesben oder Pornodarstellerinnen, die in Ruhe gelassen werden wollten. Irgendwann merkte ich, was los ist, habe aber nicht gekündigt und bin halt nie in die Sauna gegangen.

 

Sie waren jahrelang sehr erfolgreich als Comedy-Autor für Serien wie „Ladykracher“ oder die „Die Wochenshow“. Wie kam es zu Ihrem ersten Buch?

 

Ein Buch zu schreiben erschien mir die größtmögliche Freiheit. Irgendwo auf der Welt mit einem Laptop am Pool sitzen. Erst jetzt weiß ich, dass man am Pool gar nicht schreiben kann, weil die Sonne das Display blendet. Alles fing mit einer Kurzgeschichte an, die schon so eine Art Simon Peters, den „Vollidiot“, als Hauptfigur hatte. Die hab ich dann zwei Lektoren in die Hand gedrückt.

 

Und dann?

 

Sie fragten, ob ich einen Roman draus machen kann. Ich sagte, dass ich das nicht kann. Gut, haben sie gesagt, dann schreib einfach viele Kurzgeschichten mit einem roten Faden. Darauf sagte ich: Ist das dann nicht ein Roman? Ja, war die Antwort, aber das große Wort mit dem „R“ solle mir keine Angst machen, und überhaupt könne ich jetzt endlich mal anfangen, statt herumzudiskutieren. Das war echt hart für mich als Autor von Sketchen. Ein Sketch ist nach fünf Minuten zu Ende, und nun sollte es 200 Seiten dauern.

 

Hat Sie der Erfolg überrascht?

 

Mein Minimalziel war, dass ich noch ein Buch schreiben darf. Als die Meldung kam, „Vollidiot“ hätte sich 10.000-mal verkauft, hab ich richtig gefeiert. Damit hatte ich nicht gerechnet. Mein Verlag schon. Es gab noch weitere Feiern, aber mit größeren Abständen. Jetzt machen wir gerade Feier-Pause. Ist auch gut so, weil ich sonst wahrscheinlich schon in der Betty-Ford-Klinik neben Maradona läge.

 

Mittlerweile ist die Geschichte sogar bereits verfilmt. Sind Sie mit Oliver Pocher in der
Hauptrolle zufrieden?

 

Ja, sehr. Am Anfang habe ich mich gefragt: „Kann der das überhaupt?“ Aber er hat genau das Verstrahlte von Simon Peters. Er ist auch ein Typ, der spaltet. Wie ich. Dumm nur, dass pünktlich zum  Filmstart auch der wärmste und sonnigste April seit Beginn der Wetteraufzeichnungen begann. Unser Publikum saß geschlossen im Park und grillte.

 

War es für Sie wichtig, das Drehbuch selbst zu schreiben?

 

Ja. Ich musste mir aber auch Hilfe holen, denn es war mein erstes Filmdrehbuch, und bei der vierten Fassung war ich ratlos. Jedes Mal, wenn die Produzenten etwas kritisiert haben, natürlich nie zu Recht, habe ich das Drehbuch einfach neu geschrieben, statt es zu ändern. Ist auch eine Art von  Protest.

 

Auch Ihr zweites Buch, „Resturlaub“, ist ein Erfolg und wird nächstes Jahr verfilmt. Hatten Sie Angst, das Buch könnte floppen?

 

Die Angst hat man immer. Kann sein, dass ich deswegen meine Ursprungsidee in letzter Minute auf Eis gelegt habe. Es ging um einen erfolglosen Event-Manager, der sich in einem Ferienclub das Leben nehmen will.

 

Woran scheiterte der Roman?

 

An mir. Es gab keine zweite Ebene und war leider unfassbar konstruiert. Ich hatte alles monatelang durchgeplant, aber als ich fertig war, wollte ich es nicht mehr schreiben. Da hat der Verlag gesagt: „Du kannst gern was anderes schreiben – es muss nur ,Resturlaub‘ heißen und in einem halben Jahr fertig  sein.“ Weil das Cover schon gedruckt war.

 

Also haben Sie das Buch zum Cover geschrieben?

 

Genau. Glücklicherweise hatte ich eine ähnliche Geschichte wie mein Romanheld erlebt. Ich war für drei Wochen in Buenos Aires, um Sprachunterricht zu nehmen; eine totale Katastrophe! Die Stadt war laut. Ich hatte ein winziges Zimmer und keine Sau kennen gelernt. All das hatte ich im Kopf, und ich dachte mir: Warum schreibst du nicht darüber? Die lange Version von „Ich war noch niemals in New York“ von Udo Jürgens. Von einem Typen, der Fernweh kriegt und dann wirklich geht.

 

Die Kritik hat Sie verrissen.

 

Die Bücher hatten auch viele gute Kritiken, manchmal schienen sie sogar wider Willen geschrieben zu sein. Manche Kritiken sind allerdings runtergeschriebene Wutanfälle. Da habe ich wohl durch meinen unerhörten Versuch, „nur unterhalten zu wollen“, eine ganze Branche in den Schmutz gezogen. Ich bin allerdings keine Witzrakete auf Tanzmusikniveau. Einen gewissen Anspruch habe ich schon. Das sieht man auch an der Programmierung meiner Fernbedienung, wo arte, Phoenix und 3sat vor SAT.1 liegen. So was wie ich tummelt sich sonst nicht in unserer Belletristik. Das scheint zu irritieren.

 

Dabei sind Sie studierter Germanist.

 

Aber ich war eher dabei als mittendrin. An der Uni dachte ich mir immer: „Über was zum Teufel redet der Prof da vorn?“ Dann bin ich in den Irish Pub und hab mir Sketche ausgedacht. Bizarrerweise bin ich jetzt wahrscheinlich der Einzige, der Bücher schreibt. Bestimmt die Hälfte meiner Kommilitonen  fragt sich: „Um Himmels willen. Ausgerechnet der?“

 

Schon damals haben Sie die „Harald Schmidt Show“ beliefert.

 

Die riefen morgens an mit den Themen des Tages. Und dann habe ich mich vor der Uni zwei Stunden hingesetzt und …

 

… Humor produziert

 

Ich hab’s probiert. Einen One-Liner nach dem anderen nach Köln gefaxt. Zum Beispiel: „Der Bundestag soll verkleinert werden.“ So, mach was daraus! Ich hab geschrieben: „Der Bundestag soll verkleinert werden. Er heißt ab sofort Bundesvormittag.“ So. Klack, 150 Mark. Eine harte Schule. Weil du oft denkst: „Boah, rattengeiler Witz.“ Und dann wurden 19 Mark oder so was überwiesen, weil acht andere den gleichen Gag hatten und geteilt wurde.

 

Vor allem die Männer fühlen sich von Ihnen verstanden.

 

Vielleicht, weil ich in „Vollidiot“ die Zustandsbeschreibung eines furchtbar gestressten Mannes liefere. Da erkennen sich viele, denken: Mist. So bin ich doch auch!

 

Worauf kommt es bei einem lustigen Buch an?

 

Dass man den Figuren halbwegs glaubt. Dass es nicht zu übertrieben ist und eine Wahrheit beinhaltet, die die Leute kennen. Du bist Mitte 30, seit acht Jahren mit deiner Freundin zusammen und fragst dich: „Kann es das gewesen sein? Will ich ein Haus bauen oder lieber doch in Brasilien einen Currywurst-Stand aufmachen?“ Die essenziellen Fragen des Lebens.

 

Und Ihre Antwort?

 

Die Currywurst-Bude mache ich schon mal nicht, da es mir nicht sicher genug ist in Brasilien. Die ganzen Überfälle, die Staatsverschuldung. Mit 20 wäre man auf eine so dämliche Ausrede gar nicht gekommen!

 

Trotzdem könnten Sie bei einer Million verkaufter Bücher die Füße hochlegen.

 

Zumindest für eine Weile. Tu ich natürlich nicht. Aber ich leiste mir den Luxus, eine längere Roman-Pause zu machen. Ich habe in kurzer Zeit diese drei Bücher abgeliefert. Dann darf auch mal eineinhalb Jahre nichts kommen. Ich will das nicht melken.

 

Ihr drittes Buch, das Ende Juli erscheint, trägt den Titel „Millionär“. Worum geht’s?

 

Simon Peters lebt auf Hartz IV, schaut gern Dokus wie „Die Auswanderer“ oder „Perfektes Dinner“. Dann zieht eine sehr reiche Frau in das Penthouse über ihm und nervt ihn. Allein schon dadurch, dass sie mehr Geld hat. Dass sie einen pinken Hummer H2 fährt und all die Sachen hat, die er gern hätte: Nintendo Wii, Video-Beamer, Sex. Das nervt ihn so, dass er sie loswerden muss: Dazu muss er Millionär werden und das Haus kaufen. So entsteht die Rampe für eine Geschichte.

 

Hat das Buch eine Botschaft?

 

Wenn man unbedingt will, ja. Was passiert mit uns bei einem sozialen Abstieg? Simon Peters etwa beschwert sich über alles. Bei Sony Ericsson, dass Worte wie „Schnellfickerschuhe“ im T9 fehlen, und bei Knorr, weil keine Umlaute in der Buchstabensuppe sind. Die Freunde wissen nicht, was sie mit ihm machen sollen, denn denen geht es gut. Letztendlich dreht sich ja oft alles ums Geld. Man kann nicht mehr mit den Jungs weggehen oder in Urlaub fahren, will sich aber nicht einladen lassen. Aus Stolz. Aber es sind mal wieder eher die Comedy-Ansätze, die ich suche. Und sicher nicht: Hey, ich habe eine Message für all die armen Männer.

 

Aber vielleicht für unsere Leser. Wie stehen Sie zu dem Begriff „Glück“?

 

Superinteressant. Warum ist der eine glücklich und der andere nicht? Warum stellt sich manchmal keine Freude ein, wenn ein lang ersehntes Ereignis endlich kommt? Und warum ist man manchmal grundlos glücklich? Bis zu einem gewissen Grad ist Glück planbar. Wer über seinen Job jammert und nicht kündigt, ist selber schuld. Andererseits: Ein toller Partner, Gesundheit und Geld sind eben keine Garantie, mit einem Lächeln in den Tag zu treten