März 2016 / Werben & Verkaufen / Text

Die Maschine

Blackwood Seven ist mehr als eine neue Mediaagentur. Für eine ganze Branche ist dieser neue Player, der sich allein auf seinen Algorithmus verlässt, eine Verheißung

Wenn er über „die Maschine“ spricht, dann muss Andreas Schwabe über das gelungene Bonmot lachen. Nun, die Maschine, die könne er leider nicht herzeigen. Nicht nur, weil sie so geheim ist. Das zwar auch. Nein, vor allem, weil es sie nicht gibt. Manchmal nennen sie die Maschine auch Algorithmus oder Modell. So richtig griffig zu formulieren ist es eben nicht, was die Branche derzeit kräftig durcheinanderschüttelt.

Geschäftsführer Andreas Schwabe gründete 2007 die Booming GmbH, einen Spezialisten zur Optimierung von Kampagnen im Netz und im Fernsehen. Im Mai 2015 schloss er eine strategische Partnerschaft mit der dänischen Mediaagentur Blackwood Seven, die erst zwei Jahre zuvor gestartet war mit der unbescheidenen Vision, „Marketing neu zu erfinden“, und zwar „basierend auf Daten, Transparenz und hoher Automatisierung“. Das war nun auch der Plan für Deutschland. Booming hieß jetzt Blackwood Seven Germany. Und der Algorithmus kam.

 

Auf die Frage, warum niemand derlei früher versucht hat, antwortet Schwabe: „Weil erst jetzt die notwendigen Rechenleistungen möglich sind.“ Und wenn man bedenkt, dass diese ja auch vor 10 oder 20 Jahren nicht allzu übel waren, dass sie vor 40 Jahren sogar schon reichten, um zum Mond zu fliegen, dann lässt sich ermessen, wie enorm die Datenmengen sind, die bei Blackwood Seven „verschnitten“ werden, wie Schwabe es nennt: „Statt in stundenlangen Diskussionen und mit viel Bauchgefühl, kann man innerhalb von Minuten eine sehr exakte Prognose treffen.“ Herr über den Algorithmus ist Michael Green, der Chefentwickler der Datenlogik. Er trägt den geheimnisvollen Titel CAO, was so viel heißt wie Chief Algorithm Officer. Green ist zur Hälfte Amerikaner und zur Hälfte Schwede, arbeitet einen Teil der Woche in München, den anderen in Kopenhagen. Derart global veranlagt, bleibt er äußerlich stets smart und cool, nur in seine Worte ist einige Euphorie eingeflochten. „Wir sourcen das aus, worin der Mensch unglaublich schlecht ist: Entscheidungen treffen“, sagt Green.

 

„Wir erfassen alle Daten, die wir bekommen können – makroökonomische Daten, Branchen- und Kundendaten. Manchmal wissen wir selbst nicht, was dabei rauskommt. Und dann entdeckt unser Algorithmus etwas, findet Synergien. Das ist großartig.“ Das ist das Neue – der so launische menschliche Faktor wird durch unbestechliche Rechenleistung ersetzt. „Das ist keine Hexerei. Wenn Kunden heute in eine Planung einsteigen, machen sie es ähnlich – aber meistens mit einem Excel-Sheet und einer gehörigen Portion Erfahrung“, sagt Schwabe. Der Algorithmus arbeitet bis zu 24 Stunden am Tag und bleibt stets gelassen, auch wenn man ihn mit absonderlichen Daten belästigt: Wirtschaftslage allgemein, Benzinpreise, Dax-Entwicklung, Wetter oder ob bald eine Fußball-EM stattfindet. Alles kann wichtig sein. „Um eine gute Prognose zu erreichen, lassen wir eine Menge Simulationen laufen“, so Green. „Wenn wir etwa glauben, dass Fernsehen einen Effekt auf den KPI hat, dann sagen wir das der Maschine. Der Algorithmus nimmt die Daten, macht Updates und vergewissert sich, ob unsere Annahme zutrifft.“

 

Der Algorithmus kann sowohl die Allokation der Budgets auf die jeweiligen Gattungen als auch einzelne Platzierungen in die Planung einbeziehen und deren Beitrag errechnen, um definierte KPIs zu erreichen. „Es gibt keinen Mediaplaner der Welt, der eine optimale Kampagne machen kann“, sagt Green trocken. „Denn er muss in über 500 Dimensionen denken. Zeigen Sie mir einen Menschen, der das kann, wir werden ihn sofort einstellen.“

 

Für Andreas Schwabe gibt es im Laufe einer Marktumwälzung drei Phasen. In der ersten werde man belächelt, in der zweiten bekämpft und in der dritten schließlich kopiert. „Das mit dem Belächeln ist seit ein paar Wochen vorbei“, sagt er, seit Blackwood Seven für VW arbeite. Nun beginne also die zweite Phase, und fast meint man, er freue sich ein wenig darauf. „Wenn man bekämpft wird, weiß man, dass man auf dem richtigen Weg ist und einen wunden Punkt getroffen hat.“ Die dritte Phase will er gelassen abwarten. Der Algorithmus sei so komplex, dass andere frühestens in zwei Jahren Ähnliches erreichen. Wenn überhaupt.

 

Volkswagen befasste sich schon vor dem Abgasskandal mit Blackwood Seven. Der Autobauer war von den Möglichkeiten des Algorithmus angetan. „Für uns gibt es nichts Besseres, als wenn solide, glaubwürdige Kunden zu uns kommen, die nicht nur auf den kurzfristigen Abverkauf gucken“, sagt Schwabe. Mit den lobenden Adjektiven mag es bei VW inzwischen etwas bröselig geworden sein, aber auch ein Unternehmen mit Problemen sei bei Blackwood Seven gut aufgehoben. „In einem Unternehmen entsteht Veränderungswille dadurch, dass nicht alles optimal läuft. Und die Kunden, die zu uns kommen, müssen diesen Willen mitbringen und offen sein, was Prozesse und Strukturen betrifft.“
Aber dieser Wille zur Veränderung scheint bereits verbreiteter zu sein, als es manchen alteingesessenen Mediaagenturen lieb sein kann. Schon bei einer Roadshow im vergangenen Herbst, wo Schwabe mit vielen möglichen Kunden sprach, stellte er eine „gewisse Unzufriedenheit“ mit Arbeit und Gebaren der marktbeherrschenden Mediaagenturen fest. Zu viel Zwielichtiges ist passiert: Tricks, Hidden Agendas, Kickbacks und vieles mehr.

 

„Es ist mir schleierhaft, wie wichtige Kunden mit relevanten Budgets es sich gefallen lassen, in völliger Intransparenz zu leben“, sagt Schwabe. Gleichzeitig aber hat er auch beobachtet, dass viele Kunden das eben nicht mehr hinnehmen wollen. Namen könne er zwar noch nicht nennen, aber mit vielen „Markenartiklern aus allen Branchen“ sei Blackwood Seven bereits in der Testphase, dem „Prototyp“.

 

Neben Transparenz und sauberer Abrechnung verspricht Schwabe seinen Kunden auch eine Effizienzsteigerung von 15 bis 30 Prozent. „Wenn wir unseren Prototyp gefahren haben, können wir dem Kunden exakt sagen, wie viel bei ihm herauskommt“, sagt er. Bislang waren dies in allen Fällen – und das sind schon über 40 – eben diese 15 bis 30 Prozent. Transparent läuft auch der Einkauf. Denn die Verhandlungen über die Konditionen macht Blackwood Seven in aller Regel mit dem Kunden gemeinsam.

 

Das Schwierigste am derzeitigen Wachstum ist, Mitarbeiter nach München zu locken. „Das ist ja nicht der klassische Standort für eine Mediaagentur“, sagt Schwabe. Andererseits ist es in vielen Fällen auch schon gelungen. „Die Branche wird komisch gucken, wer hier bald alles anfängt“, sagt Schwabe. Denn eine Motivation hat der Geschäftsführer bei manchen neuen Mitarbeitern schon ausgemacht: „Die haben keine Lust mehr, ihre Kunden täglich anzulügen.“ Und weil der wichtigste Mitarbeiter von Blackwood Seven eben ein Algorithmus ist, werden vor allem Mathematiker, Physiker, Informatiker und auch Biologen gesucht. Zwar sagt Schwabe, dass „wir derzeit jeden kriegen, den wir wollen“, macht aber trotzdem vorsorglich Reklame mit den Standortqualitäten: „Wir sind mitten in der Stadt und haben es dennoch sehr ruhig hier. Im Sommer kann man die Fenster aufmachen und hört die Vögel zwitschern.“ Nicht zu vergessen der Blick von der Dachterrasse über die Innenstadt inklusive Frauenkirche.

 

In der Tat ist die Agentur formidabel untergebracht. Auch Freunde der Metapher haben hier ihre Freude. Denn das denkmalgeschützte Haus an der Adelgundenstraße mit der passenden Hausnummer 7 wurde einst entkernt und renoviert, dann ergänzt durch einen sechsstöckigen, gläsern-kantigen Neubau, der das alte Haus überragt und umarmt. So wie Blackwood Seven ja derzeit die Branche entkernt und erneuert. Mittlerweile werden zwei Drittel der rund 1400 Quadratmeter Bürofläche genutzt. Der Rest ist untervermietet. Aber das gilt wohl nicht mehr lange, ebenso wie die eher lockere Sitzordnung der zurzeit 60 Münchner Mitarbeiter. Bis Ende des Jahres sollen weitere 15 bis 20 Kollegen angefangen haben.

 

Neben der Bewältigung des Arbeitsaufkommens wird natürlich auch der wichtigste Mitarbeiter gehätschelt und perfektioniert. Die Maschine, der Algorithmus will Daten. „Das hört nie auf “, orakelt Michael Green, „höchstens, wenn es keine Daten mehr gibt.“ Aber das wird nie passieren.