März 2009 / PLAYBOY / Sonstiges

Affentheater Hollywood

Charlie Chaplin war nicht lustig und Marlene Dietrich eine Alkoholikerin. Es wurde gesoffen und gekokst, und jeder trieb es mit jedem. Hollywood in den Dreißigern war das reinste Affentheater. Sagt einer, der es wissen muss: Cheeta, der berühmteste Schimpanse der Welt. Jetzt packt er aus

Es gibt Schlimmeres, als am Pool zu sitzen, sich der modernen Kunst zu widmen und einmal die Woche bei McDonald’s auf einen Cheeseburger und eine Cola light vorbeizuschauen. Vor allem, wenn man sich in Erinnerung ruft, wie es meinen Kollegen ergangen ist: „Free Willy“ starb in einem einsamen Fjord an einer Lungenentzündung, Flipper brachte sich um, er hielt einfach die Luft an, wie es depressive Delfine tun, und Mr. Ed, der Arme, verreckte an einer Überdosis Tranquilizer. Aber ich bin nun fast 77 Jahre alt, der laut „Guinness-Buch“ älteste Schimpanse aller Zeiten, auch wenn es Neider gibt, die das anzweifeln. Und Neider gibt es, das können Sie mir glauben. Aber alles, was mich wirklich plagt, ist Altersdiabetes.

 

Das Rauchen musste ich deshalb aufgeben. Dabei hat es mir immer sehr geholfen, damals, in den goldenen Dreißigern, als ich Hollywood eroberte. Eine Zigarette brach das Eis zwischen mir und einem anfänglich feindseligen Bogie, eine Zigarette festigte meine lebenslange Freundschaft mit Gary Cooper. Oh, was wurde damals gesoffen und gefeiert! Ich erinnere mich an Partys, wo ich den Koks von den Brüsten von Constance Bennett geschnupft und den Rolls-Royce von Douglas Fairbanks geschrottet habe. Johnny fand es eine gute Idee, mich fahren zu lassen.

 

Es waren gute Zeiten. Johnny Weissmuller war Tarzan, Maureen O’Sullivan war Jane, und ich: war ich. Nur Maureen war schwierig. Eine alte Schachtel, eine so schlechte Mimin, dass sie Zuneigung zu Tieren nicht mal spielen konnte. Und wenn Sie glauben, ihr permanentes Herumgezicke war Schauspielkunst – als ich ihr etwa laut Drehbuch beim Baden die Klamotten klauen musste –, dann täuschen Sie sich. Sie war furchtbar! Ich habe immer gehofft, dass sie Jane rausschreiben, dass Johnny und ich allein weitermachen können. Als perfektes Dschungel-Duo. Johnny war großartig. Einzigartig. Der Größte.

 

Aber auch ich war einer der größten Stars damals, und das nicht etwa, weil ich ein Affe bin. Das macht höchstens zehn Prozent meines Erfolgs aus, der Rest war Talent. Ich bin Komödiant und kein Intellektueller. Das wollte ich nie sein. Wir haben damals Unterhaltung gemacht, Johnny und ich. Insgesamt elf Tarzan-Filme von 1934 bis 1948. Seit 1967 bin ich Rentner, mein letzter Film, „Dr. Doolittle“, war ein Megaflop, dank meines „Partners“ Rex Harrison, den ich mit folgenden Adjektiven treffend umschreiben kann: impotent, alkoholkrank, gemein, eitel, reizbar, snobistisch.

 

Jetzt lebe ich hier in Palm Springs, dort, wo auch Bob Hope, Dean Martin und Frank Sinatra ihre Rente genossen. Im Casa de Cheeta, einem Altersheim für tierische Showgrößen. Betrieben von Dan Westfall. Dessen Onkel Tony hatte mich einst 1932 in den Wäldern Liberias entdeckt. Dort lebte ich mit der Verwandtschaft im Dschungel, aufgezogen von meiner wunderbaren Mutter, der schönsten Schimpansin der Welt. Mit einem Fell, das schimmerte wie Coca-Cola auf Eis.

 

Tony brachte mich dann in einen anderen Dschungel, nach Tinseltown, wie wir hier das gute alte Hollywood nennen. Ich erinnere mich noch, wie ich vom Schiff aus die Lichter New Yorks erblickte. Ein Glanz, den ich nur noch einmal ähnlich wiedersah, in den vom LSD gekrümmten Augen eines Cary Grant. Dan sagt immer, er kenne nur einen weiteren Affen, der ebenso erfolgreich sei wie ich, und das sei Sylvester Stallone. Dan ist ein lustiger Kerl.

 

Ganz anders als Charlie Chaplin. Ein völlig überschätzter und unlustiger Scharlatan, ohne jeden Sinn für Humor. Ich erzähle Ihnen dazu eine Episode von 1938, an die ich mich sehr lebhaft erinnere, weil ich dabei meine Unschuld verlor. Johnny und ich waren bei Chaplin eingeladen. Er liebte diese Einladungen in seiner Mansion oben am Summit Drive. Johnny erzählte mir auf der Fahrt, dass Chaplin explizit darum gebeten habe, dass ich mitkomme, denn er liebe ja Tiere und habe auch diesen kleinen Zoo in seinem Garten. Wenn Sie mich fragen, eine laue Begründung: Jeder Mensch liebt Tiere. Nein, Chaplin war heiß auf mich, weil die Presse unseren Film „Tarzan Escapes“ gerade hochlobte. Ich gebe ja nichts auf Kritiken, ganz anders als etwa Charlie, dem gute Presse so wichtig war wie Bela Lugosi sein Morphium oder Mary Astor ein erigierter Penis. Aber wenn ich mich recht entsinne, schrieb „Variety“ damals vom „hübschen Antlitz des Affen Cheeta“. Und der „Hollywood Reporter“ befand, „dass der Film dem Affen seine komischsten Momente verdankt“. Nicht, dass mir so was wichtig wäre – ich wollte es nur erwähnt haben.

 

Wir kamen also an, und Johnny rief sein obligatorisches „Tarzan brings Cheeta“ in die Menge. Charlie winkte kurz. Und wandte sich sofort wieder seinen anderen Gästen zu. Was für ein aufgeblasener Typ!

 

Und immer am Quatschen, meistens hörte ihm ein Haufen blutjunger Mädels zu, das gefiel ihm. Sagt er doch zum Beispiel: „Was den Menschen vom Tier unterscheidet, ist nicht seine Ratio, dass er Werkzeuge herstellen oder sprechen kann. Der größte Unterschied ist der Humor. Wir sind die einzige Spezies, die lacht.“ Dann zog er ab. Und weil ich leider feststellen musste, dass die Mädels sich kaum noch für mich interessierten, ließ ich mir etwas einfallen. Man ist ja nicht umsonst im Show-Business. Ich sah also Chaplins Melone herumliegen – und ich sage Ihnen, ein Affe mit Hut ist immer ein Bringer. Mehr noch als ein Affe mit Zigarette. Also spazierte ich damit ein wenig durch den Garten, ich war ja auch schon nicht mehr nüchtern und ein wenig melancholisch. So stolperte ich quasi in Chaplins kleinen Privatzoo. Ich war entzückt: ein halbes Dutzend Schimpansen, alles Weibchen.

 

Es war mein erstes Mal, ich stellte mich wahrhaftig nicht gut an. Aber mit einer Zigarette in der Hand und Chaplins Hut auf dem Kopf fühlte ich mich großartig. Erst spät registrierte ich das rhythmische Klatschen der anderen Partygäste. „Hey, Charlie“, riefen sie, „schau, das bist du. Char-lie, Char-lie, Char-lie.“ Chaplin rannte herbei und wollte entsetzt einschreiten. Man sagte ihm, dass es lebensgefährlich sei, Tiere während der Paarung zu stören. Und ich muss sagen, sie hatten Recht. Es war großartig, ein williges Weibchen nach dem anderen zu begatten, angefeuert von allen Partygästen und mit Chaplins Hut auf dem Kopf.

 

Tja, die Frauengeschichten. Da fällt mir noch Marlene Dietrich ein, von der ich Ihnen aber leider sagen muss: Wenn das die „gute Deutsche“ war, dann möchte ich die anderen gar nicht kennen lernen. Sie war vielleicht – vor ihrem Abstieg in Alkoholismus und Wahnvorstellungen – eine ganz passable Köchin. Aber sonst? Ich habe auf einer Party ein kleines Techtelmechtel mit ihrer Kollegin Mercedes de Acosta beobachten müssen. Sie knutschten und fummelten und redeten dummes Zeug, was mich tödlich langweilte.

 

So war das damals. Vor mir hatten sie keine Hemmungen: Jack Warner habe ich im Büro mit seiner Sekretärin überrascht, Lupe Vélez (die sich später Johnny angeln sollte) trieb es mit Ward Bond auf Errol Flynns Yacht. Und Gary, Gary Cooper, dachte ja nur an Fressen, Sex und Saufen. Sind eben auch nur Menschen, die Hollywood-Stars. Ich hatte ja auch meinen Spaß. Bis sie mich irgendwann kastriert haben. Ich sei zu aggressiv, hieß es.

 

Alles, was mir heute fehlt, ist Anerkennung. Seit Jahren kämpfen meine Fans darum, dass ich endlich einen Stern auf dem Walk of Fame bekomme. Wer ist da nicht schon alles: Donald Duck, Micky Maus, Lassie, Rin Tin Tin und neuerdings sogar Tinker Bell. Die Elfe aus „Peter Pan“. Ich bitte Sie! Aber wo Disney und deren Geld dahinterstehen, da läuft das eben so.

 

Einen Oscar haben sie mir auch nie gegeben. Wie keinem meiner tierischen Kollegen. Es wäre höchste Zeit. Die Rede habe ich längst vorbereitet.

Die Geschichte basiert auf dem Buch „Me Cheeta – The Autobiography“. Es ist bei Fourth Estate in London erschienen und kostet £16,99.