Februar 2008 / CICERO / Interview

„Wir haben alle mal gekifft“

Über 25 Jahre war er der Mann mit der Latzhose, der in seiner Sendung "Löwenzahn" Kindern die Welt erklärte. 2005 zog Peter Lustig sich zurück. Der gelernte Tontechniker, der Kennedys "Ich bin ein Berliner"- Rede aufnahm, wollte nie ein Vorbild sein

Latzhose, Bauwagen, Basteln. Man denkt: „Der Peter Lustig ist ein ganz aktiver Grüner.“ Aber stimmt das auch?

Das sind Klischees, weil „Löwenzahn“ ein wenig ökologisch ausgerichtet war und die Leute dachten: „Hm, das ist ein Müsli.“ Blödsinn. Einmal saß ich im Lokal, habe ein Steak bestellt, da kam es vom Nebentisch: „Herr Lustig! Das hätte ich nicht von Ihnen gedacht.“

 

Was tun Sie dann für die Umwelt?

lch verwende Sparlampen und fahre einen Smart. Wenn das nichts ist.

 

Für ganze Generationen waren Sie ein Vorbild. War das eine Belastung für Sie?

Ja. Denn ich gehe gerne mal bei Rot über die Ampel – wenn kein Auto kommt. Ich würde auch gerne mal in der Nase bohren, aber das geht nicht, weil alle dann sagen: Der Lustig bohrt sich in der Nase.

 

Sie unterschreiben Autogrammkarten schon mal mit „Saddam Lustig“ …

… (lacht) Ich mache das nur für das ZDF, damit sich die Redakteure nicht langweilen. Dann müssen die den ganzen Stapel Autogrammkarten, den sie von mir unterschrieben bekommen haben, ganz genau durchsehen, ob sich nicht so ein „Fehldruck“ eingeschlichen hat. Von Rasputin über Stalin bis Lumumba.

 

Sie haben kürzlich Ihren 70. Geburtstag gefeiert. Hatten Sie Angst, Sie könnten ihn nicht mehr erleben?

Sehr oft sogar. Das war schon Ende der achtziger Jahre so, als auch die Ärzte keinen Pfifferling mehr auf mich gaben. Und mein alter Professor wundert sich immer, dass ich noch lebe. Ich besuche ihn jedes Jahr. Der hat mich damals ein paar Mal operiert in Berlin und mir gesagt: „Herr Lustig, das wird nichts mehr.“ Ich hatte schon ziemlich abgeschlossen. Und er auch. Da haben wir gewettet. Ich sagte: „Wetten, das wird doch.“ Um eine gute Flasche Rotwein.

 

Haben Sie den Wein auch bekommen?

Nein, aber ich schenke ihm jedes Jahr eine Flasche. Er hat nun mal genial geschnippelt. Es war eine ganz besondere Operation, ich hatte nur noch eine halbe Lunge, ein Loch in der Luftröhre und in der Speiseröhre.

 

Damals, nach der Operation, rauchten Sie wieder. Ziemlich unvernünftig …

… hat der Professor auch gemeint. Aber ich habe mir immer gesagt: „Zweimal kriegt man doch nicht Lungenkrebs.“ Eines Tages hat es mir dann einfach nicht mehr geschmeckt.

 

Wie lange haben Sie sich mit dem Ausstieg aus „Löwenzahn“ beschäftigt?

Vielleicht einen Monat.

 

Nur einen Monat, um etwas zu beenden, das Sie 25 Jahre lang gemacht haben?

Ja. Vielleicht habe ich es vorher auch weggeschoben, mich hingeschleppt und gesagt: „Es muss gehen.“ Wobei es ja eh ein Wunder war, dass ich nach meinen Operationen wieder drehen konnte. Selbst als ich mit meiner Krebserkrankung in der Klinik lag, habe ich mich immer wieder rausgeschlichen, um ein paar Folgen zu drehen. Das war Ende der achtziger Jahre. Das hat mich am Leben gehalten.

 

„Löwenzahn“ hat Sie also auch ein bisschen gesund gemacht?

Ganz bestimmt. Ich konnte planen und meine Texte schreiben, mich ablenken. Wenn ich einen normalen Job gehabt hätte – ich weiß nicht, ob ich das überlebt hätte.

 

Wir lesen in den Zeitungen immer häufiger von verwahrlosten, sogar von verhungerten Kindern. Brauchen wir eine Art Eltern-Führerschein?

Ja, das wäre toll. Dafür plädiere ich schon seit längerem. Ein Auto darf man nur fahren, wenn man eine Prüfung gemacht hat. Ein Kind verderben darf jeder.

 

Was sagt der Umgang mit Kindern über unsere Gesellschaft aus?

Dass sie zerbröselt. Denn wenn die Alten wegsterben, was haben wir denn dann? Die Produkte dieser ungenügenden Erziehung. Da wird kein Wissen mehr weitergegeben, keine Ethik, keine Moral. Und da hilft es auch nicht, an Familien Kindergeld zu zahlen, die sich davon dann einen neuen DVD-Player kaufen. Die Kinder brauchen eine andere Politik, bessere Schulen, bessere Bildungsmöglichkeiten. Früher hatte man eine dufte Großfamilie, da war ein Rahmen da. Heutzutage ist der Rahmen flöten gegangen.

 

Waren Sie denn immer ein guter Vater?

Soweit ich eben konnte. In der Zeit, als mein Sohn in einem erziehbaren Alter war, lag ich mehr oder weniger dauernd im Krankenhaus. Ich konnte mich gar nicht so um ihn kümmern, aber ich habe jetzt eine sehr gute Beziehung zu ihm.

 

Hat er jemals eine Ohrfeige bekommen?

Nie, nicht mal im Affekt. Ich war schon mal sauer auf ihn. Aber mit Gewalt irgendwas durchsetzen, das hat mir nie gelegen.

 

Haben Sie bei Ihrem Sohn mal Cannabis gefunden?

Nein. Aber wenn ich ein Tütchen bei ihm gefunden hätte, dann hätte ich gewusst, dass er das mal probiert oder sich ab und zu mal ein Ding reinzieht, wie wir das früher alle mal gemacht haben; und da wäre ich beruhigt gewesen.

 

Peter Lustig hat gekifft?

Sicher. Hin und wieder mal ein Tütchen, ein Haschzigarettchen.

 

 

Das Gespräch führten

DETLEF DRESSLEIN und TIM GUTKE