Februar 2015 / MANUAL / Text

YOGI DER NATION

Patrick Broome brachte das moderne Yoga nach Bayern und anschließend in die Nationalelf. Dann kam ein Fehlinvestment, der Krebs und sein Kind. Wie hält ein Mann das aus? Mit Demut und einem Lächeln.

Nach Ende der Yogastunde steht Patrick Broome auf und öffnet das Fenster. So will der Yoga-Lehrer verhindern, dass er von den Schülern angesprochen und gelobt wird für die tolle Stunde. Denn erstens will er keinen Guru-Kult. Zweitens ist nicht er dafür verantwortlich, dass es den Menschen besser geht, sondern sie selbst.

 

Wenn er dann am Fenster seines Studios im Luitpoldblock im feinen Briennerviertel steht und hinausblickt, sieht er unten auf der Straße seine neue Klientel. In Münchens teuerstem Eck sitzen Kanzleien, Versicherungen, Weltkonzerne. Nirgends ist München weniger spirituell als hier. Wegen der astronomischen Miete hätte er das Studio im Herbst 2014 fast nicht eröffnet. Aber die Eigentümer kamen ihm weit entgegen, denn sie wollten ein Yogastudio haben.

 

Broome findet das gut. Denn hier kommen die Menschen, die er bislang nicht erreicht hat. „Männer, die etwas bewegen können“, sagt er. „Ich weiß nach 20 Jahren, wie Yoga die Menschen verändert.“ Wie denn? „Du fängst an, Dinge zu hinterfragen. Und das ist es, was unsere Gemeinschaft braucht.“ Bei solchen Worten könnte man zucken. Ein Weltverbesserer.

 

Broome lächelt. Die Welt verbessern, ja, warum nicht? „Wer sich selbst spürt, spürt auch andere. Und ich will, dass die, die entscheiden, wo es in den nächsten zehn Jahren hingeht, diese Entscheidungen bewusster treffen.“ Denn die Zeiten sind passé, in denen Yoga etwas war, „was Tante Gabi macht“. Broome will viele Männer erreichen. Die, die Angst haben, sich im Beisein junger Studentinnen zu blamieren. Die tröstet er damit, dass „Gelenkigkeit keine Voraussetzung, sondern die Folge von Yoga ist“. Und all die anderen geplagten Kerle. „Bei Rückschlägen oder Krisen bricht ein Mann zusammen oder er wird härter“, sagt Broome. Weil beides aber auf Dauer nicht greife, sei Yoga ein besserer Weg.

 

Als Sohn einer Deutschen und eines Amerikaners wurde Patrick Broome in Kulmbach/Oberfranken geboren, lebte in Nürnberg, Köln, Frankfurt, bevor er schließlich in München Psychologie studierte und promovierte. Für Yoga begeistert er sich, seit er Mitte der neunziger Jahre in New York Sharon Gannon und David Life begegnete. Die hatten die Jivamukti-Methode erfunden, zu ihren Kunden zählten Sting und Madonna. Jivamukti-Yoga legte mehr Wert auf den Körper als auf den Geist, war hip, schnell, laut und für jedermann begreifbar. Broome brachte es mit nach München.

 

Das musste sich dort erst mal durchsetzen. Ein wenig Erleuchtung bitte, zwischen veganem Lunch und laktosefreier Latte. Für verdrehte Models und Ladys, die im Cayenne vorfahren und für die vor allem ein teurer Yogadress wichtig ist. Ist es im Sinne des Yoga, damit Geld zu verdienen? Klar, warum nicht, sagt Broome. Früher hätten die Menschen ihrem Yogi ja auch Essen und ein Dach überm Kopf gegeben.

 

Richtig bekannt wurde Broome durch einen Zufall. Eine Freundin von Oliver Bierhoff übte bei ihm in der Schellingstraße, seinem ersten eigenen Studio, das er 2003 eröffnet hatte. Dem Teammanager der deutschen Nationalmannschaft gefiel die Idee, und gemeinsam mit dem damaligen Bundestrainer Jürgen Klinsmann verordnete er der Mannschaft 2005 ihre erste Yogastunde. „Einige haben gegrinst, einige gelacht, andere hatten Panik in den Augen“, erinnert er sich. Aber alle machten mit. Fortan war Broome bei allen großen Turnieren Teil der Entourage, zuletzt in Brasilien, als das Team unter Joachim Löw den Titel holte. Mit Broome als Jogis Yogi.

 


 

Sein Lachen ist jungenhaft. Man fühlt sich wohl in seiner Nähe. Möchte bleiben. Zuhören. Asanas üben. Einen Tee trinken. Still sein.

 


 

 

Die heutige Spielergeneration weiß, was sie an ihm hat. Denn Yoga hilft einem Fußballer. Die Beschäftigung mit dem eigenen Körper und die Meditation steigern die Konzentration. Das Dehnen und Strecken beugt Verletzungen vor und macht den Bewegungsapparat beweglicher und flexibler. „Das bringt dann die zwei Prozent, die am Ende den Unterscheid machen können“, sagt Broome. Das Siegtor im WM-Finale von Rio schoss Mario Götze, einer von Broomes eifrigsten Schülern. Mit einer akrobatischen Ballannahme und konzentriert-geschmeidigem Drehschuss. Noch Fragen?

 

Die kickenden Millionäre schätzen Broome auch, weil er unaufdringlich ist und viel lacht. Sein Lachen ist jungenhaft. Man fühlt sich wohl in seiner Nähe. Möchte bleiben. Zuhören. Asanas üben. Einen Tee trinken. Still sein.

 

Aber er weiß auch, was Krise ist. Für Broome kam es 2009 ziemlich dicke. Und natürlich alles auf einmal. Erst floppte seine Expansion. Das Studio in Berlin musste wieder schließen, übrig blieben Schulden von 100 000 Euro. Und es kam noch schlimmer. Kurz danach diagnostizierten Ärzte bei ihm Lymphatische Leukämie, was er sofort googelte und etwas las von „tödlich“ und fünf, sechs Jahren, die man noch habe.

 

Er begab sich in die Obhut guter Ärzte, quälte sich durch eine Chemotherapie und schaffte es. Neben der Gesundheit gewann er auch die Erkenntnis, dass „du noch so gesund leben kannst, wenn du nicht liebevoll mit dir umgehst und dich nicht zur Ruhe kommen lässt, nützt das alles nichts“. So erkannte er, dass er vom rechten Weg abgekommen war, trennte sich von seinen Geschäftspartnern und behielt nur das Studio in der Münchner Schellingstraße. Jenes studentische Kabuff, in dem einst alles begonnen hatte.

 

2009, am selben Tag, an dem er seine Krebsdiagnose erhielt, erfuhr er übrigens auch, dass er Vater werden würde. Das Leben hat manchmal einen komischen Sinn für Humor.