September 2012 / ADAC Reisemagazin / Text

Gesalzene Reise

Früher brachten Eselskarren das kostbare weiße Gut von der Küste nach Norden. Wer heute auf der alten Handelsroute Via del Sale unterwegs ist, schmeckt das Salzige im süßen Leben. Eine offene Fahrt zwischen Alpen und Meer

Wenn Pier Franco Blengini vor seinem Haus steht, dann blickt er auf die große Geschichte. An dem geduckten Hügel, der dort von der Sonne gestreichelt wird, siedelten einst die Römer. Später kämpfte darauf Napoleons Armee. Die Schlacht im April 1796 war für das militärische Fortkommen der Franzosen so wichtig, dass sie auf dem weltbekannten Arc de Triomphe in Paris dargestellt ist. Im Zweiten Weltkrieg versteckten sich Partisanen auf der Anhöhe.

 

Wenn Pier Franco Blengini hinter sei­nem Haus steht, dann blickt er auf Weinberge und im Hügelland verstreute Örtchen, einen Flickenteppich aus grünen und braunen Farbtönen. Und natürlich hinüber zu den Alpen, wo der weiße Monte Viso in der ganzen Pracht seiner 3841 Meter herüber leuchtet. Signor Blengini besitzt ein gepflegtes Anwesen. Die Cascina Monsignore diente dem Bischof von Mondovì früher als Sommersitz. Sie wurde erbaut vor 300 Jahren und von Blenginis Familie vor gut 100 Jahren gekauft. Nachfahre Pier Franco erbte Mitte der Siebzigerjahre jedoch ein verkommenes Schmuckstück. „Un disastro“, sagt Blengini, und man braucht keinen Dolmetscher, um zu verstehen, was er meint.

 

Heute wohnt Blengini, ein älterer Herr von dezenter Höflichkeit und mit gestick­tem Monogramm im Oberhemd, hier mit seiner Gattin. Und mit seinen Weinreben, aus denen er jährlich an die 12000 Liter feinen Dolcetto keltert. Die Blenginis haben im Blick, was unsere Route ausmacht. Hier die aufwühlenden Wirren der Jahrhunderte und der Geschichte, dort die spektakuläre piemontesische Landschaft, wo Hochgebirge und Meer immer nur wenige Kilometer entfernt scheinen. Mittendrin liegt sein privater Weinberg, auf dem die Ruhe greifbar wirkt. Am besten im Schatten „der schönsten Zypresse des Piemont“, wie Blengini lachend betont, während er ein Glas seines hausgemachten Roten einschenkt. Vergleichbare Szenerien dürften die Schöpfer des Begriffs Dolce Vita im Sinn gehabt haben.

 

Nicht nur die Schlachten und Römersiedlungen weisen auf die historische Bedeutung der Region hin. Vom ligurischen Albenga am Meer bis nach Turin transportierten Händler einst einen der wichtigsten und wertvollsten Rohstoffe: Salz. Aber auch andere Güter mussten von der Küste Richtung Norden durch dieses Gebiet. So wuchs im Laufe von mehr als 2000 Jahren eine geschäftige Infrastruktur.

 

Unsere Tour entlang der alten Route startet nördlich von Blenginis Zuhause. Dort, wo einst die Salzstraße endete: in Faule bei Polonghera. Hier am Po wurde die edle Zutat auf Schiffe umgeladen und die letzten Kilometer bis Turin gebracht. Mit Eseln hatte man sie von den Salinen am Mittelmeer über die Berge und durch die karge Ebene gekarrt. Nur eine unscheinbare Trattoria mit Namen Porto di Faule erinnert noch an die ehemals große Bedeutung des Salzhafens am Fluss. In Sichtweite befindet sich der Ort Polonghera, in dem die Trattoria La Via del Sale einen weiteren Hinweis auf die Geschichte gibt. Paolo D’Ambrosio, der groß gewachsene Küchenchef, benannte sein Lokal nach dem alten Weg, der die Kultur der Region bis heute prägt: „Frankreich, das Meer, die Hochalpen – alles ist etwa gleich weit von hier entfernt. Die Salzstraße brachte der Gegend die verschiedensten Zutaten, hier fließen sie zusammen. Und